Streitkultur, Wertedebatte, demokratisches Handeln als unternehmerisches Prinzip, das sind die Themen des neuen Podcasts „Democracy@Work“. Die Idee dazu lieferte ein Projekt des Business Council for Democracy. Hinter dem kryptischen Kürzel #BC4D verbirgt sich ein Netzwerk von Arbeitgebern, die sich für Demokratie am Arbeitsplatz einsetzen. Mitarbeitende eines Unternehmens erfahren in kostenlosen Schulungen mehr über die Ausbreitung von Hassrede, gezielter Desinformation und Verschwörungserzählungen und vor allem, was dagegen zu tun sei. Knapp hundert Unternehmen sind inzwischen dem Netzwerk beigetreten, das von drei gemeinnützigen Stiftungen getragen wird.
Dass Unternehmen sich für ein demokratisches Miteinander einsetzen und sich aktiv zu Wort melden, ist nicht erst seit dem unermüdlichen Eintreten Edzard Reuters für eine lebendige Demokratie so. Der ehemalige Vorsitzende der Daimler-Benz AG war zeitlebens ein Förderer der Zivilgesellschaft, der er eine unersetzbare Rolle im politischen Prozess zugesprochen hatte. Zum Tod des Berliner Ehrenbürgers vor einem Jahr attestierte die Präsidentin des Abgeordnetenhauses, Cornelia Seibeld, dem Verstorbenen: „Seine Leidenschaft galt stets dem Gemeinwohl. Er glaubte an die Kraft der Zivilgesellschaft und an das gesellschaftliche Miteinander.“
In der Wirtschaftswelt gibt es angesichts massiver Bedrohungen und tagtäglicher Attacken auf das politische Gemeinwohl eine Reihe von Initiativen, die sich dem in Edzard Reuters Sinn widersetzen. Zum Beispiel das Bündnis „Vereint für Demokratie“. „Unsere Demokratie ist in Gefahr. Hass, Rassismus und Polarisierung nehmen zu. Demokratische Institutionen werden verächtlich gemacht“, heißt es beim Bündnis, das mit der Zivilgesellschaft Hand in Hand geht und „nicht nur Haltung zeigen, sondern handeln“ will.
„Vielfalt macht uns stark“, ist das Motto der „Wirtschaftsinitiative für Demokratie und Vielfalt“ (WIDV). Ihr Credo ist die Überzeugung, „dass wirtschaftlicher Erfolg und gesellschaftlicher Wohlstand in Deutschland untrennbar mit einer Kultur der Offenheit und Vielfalt verbunden sind“.
Für ein weltoffenes Deutschland setzt sich die gleichnamige Unternehmenscommunity – „vom kleinen Handwerksbetrieb bis zum Konzern“ – aus Dresden ein. Klare Kante zeigt die Initiative gegenüber „populistischer Rhetorik“, die eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt darstelle, den Wirtschaftsstandort Deutschland schwäche und nicht zuletzt demokratische Institutionen schädige. Drei Beispiele aus einer Vielzahl. Drei Initiativen, die sich auch dem Anliegen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ verschrieben haben.
Die Sozialpartner in die Arbeit des Bundesprogramms einbeziehen will nun Familienministerin Karin Prien und betrachtet das als Teil einer grundlegenden Änderung bei „Demokratie leben!“. Das Bundesprogramm ist im Familienministerium beheimatet.
Das bringt die Frage auf, ob „die Arbeits-, Wirtschafts- und Unternehmenswelt als Aktionsfelder“ nicht längst erschlossen sind und ob nicht für bedeutende Teile des Wirtschaftsstandorts der Einsatz für Vielfalt und Offenheit längst geübte Praxis ist.
Denn die Unternehmerschaft ist längst dabei, ihre Stimme für Vielfalt in Unternehmen und Gesellschaft zu erheben und ihre Warnungen vor den Gefahren rechtspopulistischer Einflüsterungen vorzubringen. So etwa mit der „Charta der Vielfalt“. Die Charta ist Deutschlands bedeutenste Arbeitgeberinitiative zur Förderung von Vielfalt. 6.500 Unternehmen und Institutionen haben sie bislang unterzeichnet. Im Netzwerk „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“ sind 4.700 Unternehmen organisiert, die sich für „Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Flucht- und Zuwanderungsgeschichte engagieren“.
Die Wirtschaftsallianz von 40 deutschen Unternehmen „Wir stehen für Werte“ will „ein starkes Signal gegen Hass und Populismus und für Offenheit und Vielfalt als Basis unseres Wohlstands setzen“. Der Zusammenschluss repräsentiert nach eigenen Angaben 1,7 Millionen Menschen unterschiedlicher Herkunft.
Oder die kurz vor der Bundestagswahl gegründete Initiative „Unternehmen-Demokratie-Verantwortung“ (Motto: „Wer schweigt, stimmt im Zweifel den Falschen zu“), die sich für Bildung und Dialog als „Grundlage für tragfähige Entscheidungen“ stark macht.
Schließlich sind da die zahlreichen Partnerschaften für Demokratie, die im Rahmen ihrer Projektarbeit mit lokalen Unternehmen kooperieren. Und so scheint glücklicherweise längst erreicht, was die Ministerin in ihrem Brief vom 29. August als Absichtserklärung vorstellte: „die Arbeits-, Wirtschafts- und Unternehmenswelt als Aktionsfelder“ für die Ziele von „Demokratie leben!“ zu erschließen.
