Demokratiearbeit? Nein danke

Ein sportliches Abstimmungsprogramm hat sich der Stadtrat von Salzwedel für die knapp zweistündige Sitzung am 26. Februar vorgenommen. Die Hansestadt in Sachsen-Anhalt hatte vier Wochen zuvor vom Bundesprogramm „Demokratie leben!“ die Mitteilung erhalten, in die nächste Förderperiode aufgenommen worden zu sein.

Bürgermeister Olaf Meining hat für die Sitzung eine Beschlussvorlage erarbeitet, in der er Hoffnung auf die lokale Partnerschaft für Demokratie setzt („Stärkung demokratischer Strukturen“) und eine Projektarbeit in Aussicht stellt, „die den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, das ehrenamtliche Engagement unterstützen und demokratische Werte in der Stadtgesellschaft festigen“ werde.

Jetzt Stadtratsitzung, öffentlicher Teil, im Foyer des Kulturhauses Salzwedel: Bevor ein erster Bebauungsplan zur Sprache kommt, ist es einem Stadtrat der AfD noch wichtig, seine umstrittene Teilnahme an einer Holocaust-Gedenkveranstaltung der Partei der Linken zu erwähnen und sich des Vorwurfs der Holocaust-Leugnung zu erwehren. Das Protokoll vermerkt später, dass AfD-Stadtrat K. in gleicher Sache nun Anzeige gegen Bürgermeister Meining erstatten werde. Der Grund: Verstoß gegen die Pflicht zur Neutralität im Amt.

Das parteilose Stadtoberhaupt hatte sich wenige Tage zuvor bei einer Demonstration in Salzwedel gegen den „weiteren Rechtsruck“ („Volksstimme“) ausgesprochen und zur Verteidigung der offenen Gesellschaft aufgerufen.

Nun also endlich zum ersten Bebauungsplan: Nicht ganz, denn Stadtrat R. möchte sich vorab gerne noch zur Beschlussvorlage „Demokratie leben!“ äußern. Der Vorsitzende verweist auf den noch anstehenden Tagesordnungspunkt 24. Doch R. scheint fest entschlossen. Als sich herausstellt, dass R. nicht für seine Fraktion, sondern in eigener Sache sprechen will, entzieht ihm der Versammlungsleiter das Wort.

Später am Abend: „Teilnahme der Hansestadt Salzwedel am Bundesprogramm „Demokratie leben!“ mit einer Partnerschaft für Demokratie / Vorlage: 2025/125“.

Die Niederschrift des Protokolls umfasst später vier Seiten Debatte über Vergaberichtlinien, Zuständigkeit von Kreis und Stadt, Zahlungsverpflichtungen und Eigenanteile, Aufgaben und Auswahl der Projektkoordinierung, den Vorschlag eines sogenannten Interessenbekundungsverfahrens, um eine geeignete Koordinationsstelle zu finden.

Als die Frage nach Mitspracherecht der Stadtverordneten bei der Projektarbeit der Partnerschaft für Demokratie gestellt wird und wie man missliebige „politisch engagierte“ Vereine außen vor halten könne, erläutert Bürgermeister Meining, dass das Bündnis für Demokratie – ehedem Begleitausschuss – unabhängig arbeite. Schließlich tritt der bereits erwähnte Stadtrat R. auf und regt an, die Beschlussvorlage – offenbar zur Neubehandlung – an die Fraktionen zurückzuverweisen.

Das Ansinnen wird abgelehnt. Der Start der Projektarbeit solle möglichst nicht weiter weiter verzögert werden, rät der Bürgermeister. Laut Protokoll gibt es noch eine Reihe von Einwänden und zusätzliche Vorschläge. Schließlich kommt der Versammlungsleiter zur Abstimmung: Mit 19 Nein-Stimmen und 15 Ja-Stimmen lehnt der Stadtrat den Beschlussvorschlag ab.

Unter der Überschrift „Bleibt uns fern mit eurem Geld“ heißt es später in einem Bericht der ZEIT –  mit Seitenhieb auf die Bundespolitik: „1,2 Millionen Euro hätte Salzwedel von Bund und Land bekommen, um Demokratieprojekte zu finanzieren. Doch eine Mehrheit im Stadtrat lehnte die Förderung ab – neben der AfD auch die CDU. Warum nur?“