Heimat – Heimat?

Seien wir vorsichtig mit dem Begriff „Heimat“. Gerade wieder. Da planen welche, Menschen zwischen Flensburg und Passau, Selfkant und Görlitz aus ihrer Heimat zu vertreiben, weil sie eigentlich nicht von hier seien. Sagen sie und bereiten sich konspirativ darauf vor. Im Hintergrund wabert der Begriff Heimat – gerade erst hat eine ihrer Parteien sich umbenannt in „Die Heimat“. Nationalradikalität, Blut und Boden, das hat „Heimat“ nicht verdient.

Heimat kam immer schon in unterschiedlichem Gewand daher, mal völkisch dumpf zur Abkehr von Moderne und Abwehr von Fremdem, aber auch in eher liberalen Diskursen, die Heimatgefühl gegen überzogenen Nationalismus in Stellung brachten. So verfasste der spätere Friedensnobelpreisträger Alfred Hermann Fried 1908 einen Aufsatz über Patriotismus und argumentierte: „Die Gewohnheit an Personen, Dinge, und Einrichtungen (…) bilden das ursprüngliche und eigentliche patriotische Empfinden, das Heimatgefühl.“

Nach dem Zweiten Weltkrieg – der Nationalsozialismus hatte Millionen Menschen heimatlos gemacht – erhielt Heimat im gesellschaftlichen Diskurs eine neue Gewichtung. Vertriebene, in der DDR Umsiedler genannt, suchten ihren Platz in der jeweiligen Gesellschaft und kultivierten im Westen häufig mit der Hoffnung auf Rückkehr in die verlorenen Heimstatt einen eher rückwärtsgewandten Heimatbegriff. Währenddessen werkelte die DDR an der Vereinbarkeit von Sozialismus und Heimat, indem der Einzelne im Kollektiv seine unmittelbare Lebenswelt erfahren sollte.

Ist „Heimat“ nicht mehr und nicht weniger als ein Grundprinzip menschlicher Identität? Ein Netz von Beziehungen, das dem Einzelnen in Gruppen und Gesellschaft lokal, regional, national und global einen Ort gibt? Susanne Scharnowski, die ein Buch zum Thema verfasst hat, möchte den Begriff Heimat von alten Missverständnissen befreien, von falscher Romantik in gleicher Weise wie als Synonym für Volk und Nation politisiert.

Sie sagt: „Der Begriff ist immer wieder von der politischen Rechten besetzt worden, aber soll die das letzte Wort behalten?“ Und sie gibt der aufgeklärten Mehrheit in Auftrag: „Heimat sollte rehabilitiert werden, und sei’s nur, um eine politische Debatte zu haben, die nicht auf Spaltung aus ist.“


Eine kleine und unvollvollständige Materialsammlung soll dem Begriff auf die Spur kommen:

–  Heimat (Staatslexikon)
–  Was ist Heimat?- Definitionen (Bundeszentrale für politische Bildung)
–  Das politische Konzept ‚Heimat‘ (pop-zeitschrift.de)
–  In Deutschland daheim, in der Welt zu Hause? (Soziopolis)
–  Warum der Begriff Heimat nicht zu retten ist (ZEIT ONLINE)
–  In Zeiten des Umbruchs wird das Vertraute wichtig (Deutschlandfunk Kultur)
–  Ein schwieriger Begriff: Heimat (Deutsche Welle)
–  Kampf und Sehnsucht in der Mitte der Gesellschaft  –   Ein Buch über Heimat. Und Liebe. Und Liebeskummer. 
    Ein Buch über uns alle. (demokratie-leben-aachen.de)   

Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet „Heimat“ meist einen Ort. Umfragen zeigen, dass viele Menschen darunter etwas anderes verstehen.

Was ist Heimat, wie wird der Begriff missbraucht, und ist Heimat für alle Menschen wichtig?

Was ist eigentlich Heimat? Ein Gefühl, ein Ort, eine Haltung? Und welche Rolle spielt der Heimatbegriff in unserer Gesellschaft und der Demokratie? Muhterem Aras, Landtagspräsidentin in Baden-Württemberg, und Hartmut Rosa, Soziologe, stellen sich den Fragen. Ausgefragt! In der neuen Videoreihe „Ausgefragt!“ stellt die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg Themen der politischen Bildung in den Fokus.
Mitschrift Ausgefragt: Was ist Heimat?

Foto oben: Luke Stackpoole/Unsplash