Reichsbürger: Mehr als nur Gaga-Nazis

Der Chefredakteur betitelte seinen Kommentar kurz und bündig: „Der Aufstand der Bekloppten“. Und der Diskussionsgast beim Grünen-Kreisverband im fränkischen Roth räumte ein, er habe unterschätzt, „wie bekloppt die wirklich sind“. Auffallend häufig fällt eine Vokabel, wenn es um Reichsbürger, ihre Phantasien der Machtergreifung und Umsturzvisionen geht. Dass die Dezember-Razzien unter Reichsbürgern mehr zutage gefördert haben als bizarre Absonderlichkeiten, lässt sich nun nicht länger übersehen. Das Magazin Chrismon fragt daher: „Bekloppt oder gefährlich?“.

„Es gibt eine Kernszene, die sich immer stärker bewaffnet und radikalisiert hat und besonders gewaltorientiert ist“, stellt der Extremismusforscher Andreas Zick fest. Ein „nationaler Strategieplan“ sei erforderlich, meint der Wissenschaftler der Universität Bielefeld, um zu prüfen, „wo Demokratie stabil und wehrhaft ist und wo sie es nicht ist“.

Von einer „terroristischen Zuspitzung“ gar spricht der Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke. Von der „paranoiden Logik“ der Reichsbürger-Ideologie gehe deshalb eine beträchtliche Gefahr aus, weil sie ihren Zielen nur durch Gewalt und den Umsturz des Staates nahekommen könnte. In diese Absichten schließt Funke auch Teile der AfD ein und sieht bei Politik, Behörden und Sicherheitsdiensten, „dass man jetzt endlich entschiedener vorgeht“.

„Ideologisch präsentieren die ‚Reichsbürger‘ einen Mischmasch aus royalistischen Fantasien (‚Königreich Deutschland‘), aggressiver My-home-is-my-castle-Rechthaberei, antisemitischen Verschwörungstheorien und Holocaust-Leugnung. Kleinster gemeinsamer Nenner ist die rabiate Ablehnung der Bundesrepublik.“ (Frank Jansen, 2017)

Anlass dazu besteht allerdings nicht erst seit jüngstem. 2015 hatte das Brandenburgische Institut für Gemeinwesenberatung bereits ein umfangreiches Handbuch „Reichsbürger“ vorgelegt und das Gefahrenpotenzial beschrieben.

Da braucht es gewiss starke Nerven, sich freiwillig in das Milieu der Reichsbürger zu begeben. Tobias Ginsburg hat diesen Mut aufgebracht und ein Buch darüber geschrieben. Ginsburg beschreibt die Gefährlichkeit von Teilen der Szene, kommt aber auch zu einem eher überraschenden Urteil: „Wenn man ernste Beziehungen zu diesen Leuten aufbaut, ihnen ernsthaft zuhört, dann ist das dominierende Gefühl Mitleid.“

Unter Reichsbürgern

Ein Wochenende lang war ein Kamerateam von Correctiv und Frontal 21 zu Gast in einem Seminar von Reichsbürgern.
Unerkannt.

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