Paradox

In ihren Aussagen zum Sozialstaat nimmt die nationalradikale Alternative für Deutschland (AfD) kaum ein Blatt vor den Mund: Bürgergeld beschneiden und auf sechs Monate begrenzen, Langzeitarbeitslose zur „Bürgerarbeit“ zwangsverpflichten, die Rechte von Mietern schwächen und überhaupt Sozialleistungen abbauen.

Festzustellen im „Wahl-O-Mat“ der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), in dem sich Interessenten vor Europa-, Landtags- und Bundestagswahlen ein Bild über Ziele und Aussagen der Parteien machen und so zu einer möglichen Wahlentscheidung finden können.

Der Zuspruch der Wählerschaft zur AfD liegt derzeit bei rund 20 Prozent, wie Meinungsforscher ermittelt haben. Auffallend: Das Gros der Wählerschaft dürfte sich die Augen reiben, sollte die Partei einmal in der Lage sein, derartige Pläne in politische Praxis umzusetzen.

Frühere Untersuchungen verorten die AfD-Wählerschaft häufig in prekäre Lebensverhältnisse mit geringer sozialer und politischer Teilhabe. Anders ausgedrückt: „Die Unzufriedenheit über das eigene Leben und über den Zustand von Wirtschaft und Gesellschaft ist unter AfD-Wähler*innen deutlich höher als im Durchschnitt aller Wähler*innen.“

So beschreibt es eine soeben erschienene Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) mit dem Titel „Das AfD-Paradox: Die Hauptleidtragenden der AfD-Politik wären ihre eigenen Wähler*innen“.

Darin zieht DIW-Präsident Marcel Fratscher dieses Fazit: Die von der AfD ins Visier genommenen Steuersenkungen für Spitzenverdiener, niedrigere Löhne für Geringverdiener und die generelle Beschneidung der Sozialsysteme würden sie „viel stärker treffen als die Wähler*innen der meisten anderen Parteien“.

Eine Erklärung dieses eklatanten Widerspruchs zwischen AfD-Positionen und Wählervotum liegt laut Fratscher im Erfolg ihrer Parteipropaganda. Sie habe ihren Unterstützern einreden können, ihnen gehe es besser, wenn beispielsweise Grundrechte für zugewanderte Menschen und sozialstaatliche Leistungen spürbar eingeschränkt würden.

Der DIW-Präsident appelliert daher an Politik und Gesellschaft, „die Widersprüche der AfD-Positionen offenzulegen, die individuellen und kollektiven Fehleinschätzungen zu benennen und den AfD-Populismus durch den öffentlichen Diskurs zu entlarven“.

Foto: © Metropolico / Flickr/ CC BY-SA 2.0-Lizenz