Podiumsdiskussion bekräftigt Willen zu stärkerer Vernetzung von Fraueninteressen
Frauen müssen enger zusammenwirken, um im kommunalpolitischen Geschehen mehr Gehör zu finden. Bei einer Podiumsdiskussion am 24. März im Luckenwalder E-Werk tauschten sich politisch aktive Frauen über Ziele und Hemmnisse aus. Eingeladen hatte die Partnerschaft für Demokratie Teltow-Fläming und das Büro für Chancengleichheit. Die Moderation hatte Maxie Wohlauf.
Franziska Koch, Rererentin im Brandenburger Innenministerium, stellte zu Beginn eine Studie des Minsteriums vor, die eine Wissenslücke schließen sollte: mangelnde Kenntnisse in Politik und Öffentlichkeit über Ursachen und Häufigkeit von Angriffen auf Amtspersonen in den Kommunen. Danach sind Frauen häufiger von Attacken betroffen als Männer. Darüber hinaus ist der Grad der Aggressivität Frauen gegenüber wesentlich stärker.
Teilnehmerinnen bestätigten teils aus eigener Anschauung, dass durchaus auch in kommunalen Gremien – etwa unter Stadtverordneten, aber auch in Parteigliederungen – Sexismus Frauen gegenüber keine Seltenheit sei.
Dass derartige Angriffe auch Frauen in Führungsetagen nicht verschonen, berichtete Landrätin Kornelia Wehlan. In vielen Jahren politischer Tätigkeit sei es ihr nicht gelungen, sich gegen frauenverachtende Anfeindungen ausreichend zu panzern. „Aber das muss man aushalten“, fügte sie hinzu, auch wenn das ein öffentliches Amt nicht gerade erleichtere.
Die Kreistagsabgeordnete Claire-Luise Heydick unterstrich die Bedeutung derartiger Studien nicht zuletzt auch wegen der Öffentlichkeit, die das Thema Sexismus und Feindseligkeiten gegenüber Frauen dadurch erfahre. Das verschaffe Angegriffenen eher Gelegenheit, sich der Attacken mit Unterstützung zu erwehren.
Bettina Praetorius, Gründerin des Vereins „Frauen aufs Podium“, stellte eine weitere Studie vor, in der sie zahlreiche Untersuchungen zum Thema ausgewertet und darüber hinaus eine Umfrage unter kommunalpolitisch aktiven Frauen durchgeführt hat. Das Ergebnis: In 14 Maßnahmen schlägt die Studie Verfahren vor, wie Kommune und Land dafür Sorgen tragen können, mehr Frauen den Weg in die Kommunalpolitik zu ebnen.
Die Luckenwalder Stadtverordnete Anja Jürgen wandte ein, derzeit sei man allerdings noch „ziemlich weit davon entfernt, dass die Politik Änderungen schafft“. Vielmehr sei es eine Sache aufgeklärter Männer, mit ihren Frauen eine Arbeitsteilung im Alltag zu finden, der Frauen Gelegenheit gebe, politisch in ihrer Kommune aktiv zu werden.
„Ich glaube schon, dass wir mutiger werden und Dinge einfordern müssen“, wandte die Kreistagsabgeordnete Ines Seiler ein, „aber ich glaube auch, dass es strukturelle Ungleichheiten gibt, die wir angehen müssen.“
Die aus Syrien stammende Nesrin Jumaa, die in Teltow-Fläming arabischsprachige Frauen darin unterstützt heimisch zu werden, hob die Schwierigkeiten hervor, in einem kleinstädtisch geprägten Landkreis ausreichend Gelegenheiten zu beruflicher Eingliederung zu finden. Das erschwere Frauen zugleich die Möglichkeiten zu politischer Teilhabe.
Anna Emmendörffer vom Frauenpolitischen Rat in Potsdam warf einen Blick auf die schwierige Lage für einen erneuten Anlauf zu einem Paritätsgesetz in Brandenburg. Dazu gebe es keine Mehrheiten, nicht zuletzt auch, weil antifeministische Tendenzen nicht zu übersehen seien. Und: „Wir haben den Antifeminismus personifiziert im Landtag sitzen mit der AfD.“
Eine stärkere Vernetzung von Frauen und Fraueninitiativen, über Parteigrenzen hinweg, „Politik als gemeinsames Projekt zu verstehen“ (Anna Emmendörfer), war die gemeinsame Forderung des Abends, der sich das Saalpublikum – gemessen am Schlussapplaus – offenbar anschloss.
Mehr zur Podiumsdiskussion und zu den Teilnehmerinnen hier
Die vorgestellten Studien
Klewes, Joachim u.a., Präventive Strategien zum Schutz von kommunalen Amts- und Mandatspersonen vor Einschüchterung, Hetze und Gewalt
Potsdam, März 2022
Angriffe gegen kommunale Amts- und Mandatspersonen – wie Einschüchterungen, Hetze oder Gewalt – haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Das lassen Studien auf Bundesebene sowie aus mehreren Bundesländern auch für das Land Brandenburg vermuten. Bislang aber fehlte ein empirisches Lagebild für Brandenburg. Die Studie, die vom brandenburgischen Innenministerium in Auftrag gegeben wurde, ist Bestandteil eines „Maßnahmenplans im Kampf gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität“. (zur Studie)
Praetorius, Bettina u.a., Ohne Frauen ist kein Staat zu machen – Maßnahmen zur Steigerung der politischen Teilhabe von Frauen in Kommunen
Potsdam, Februar 2022
Sowohl die Ursachen für mangelnde Repräsentanz von Frauen in der Kommunalpolitik als auch mögliche Handlungsansätze sind dank zahlreicher Studien, Praxisbeispielen und Fachdiskussionen bekannt. Es fehlen jedoch Erkenntnisse dazu, wie wirkungsvoll die einzelnen Maßnahmen sein können und welchen Aufwand sie mit sich bringen. Diese Expertise bietet eine erste Antwort auf die Forschungslücke. Gleichzeitig dient sie als praxisnahe Handreichung, um das politische Ehrenamt von Frauen zu stärken. (zur Studie)